Perfektionismus loslassen - Wie du dich vom inneren Druck befreist
- Celine Behrens
- 25. Juni
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Juni
Was hat sich verändert? War der Wunsch und der innere Druck, alles perfekt machen zu wollen, damals schon so ausgeprägt gewesen?
Perfektionismus geschieht aus keiner Absicht heraus, zu schaden. Im Kern verfolgen wir mit unseren perfektionistischen Ansprüchen wohlwollende und gut gemeinte Intentionen. Wir wollen die bestmögliche Version von uns verkörpern und alle um uns herum – und ganz besonders uns selbst – zufriedenstellen. Doch mit der Absicht, alles genau richtig machen zu wollen, verschieben sich unsere Messlatten kontinuierlich nach oben, und wir versperren uns selbst den Weg. Denn Perfektionismus entfernt uns von uns selbst – von unserem wahren Wesen mitsamt all unseren vielseitigen Qualitäten. Perfektionismus versetzt uns in eine Widerstandshaltung gegenüber dem, was ist. Wir sind unzufrieden mit dem, wer wir sind, und wollen mehr. Mehr haben, mehr machen, mehr sein. Doch mit welchem Ziel?
Was steckt hinter dem Wunsch nach Perfektion?
Hinter Perfektionismus verbirgt sich in der Regel eine Grundangst: Die Angst davor, abgewertet zu werden, nicht gut genug zu sein, zu versagen, ausgeschlossen zu werden und vieles mehr. Wir alle tragen solche Ängste tief in unserem Inneren. In der Regel ist es selten unser Umfeld, das uns wirklich abwertet – vielmehr sind wir selbst unsere größten Kritiker:innen. Wir fühlen uns vielleicht, als müssten wir uns unserem Umfeld gegenüber beweisen, doch dabei tragen wir den wahren Kampf in uns bzw. mit uns selbst aus.
Perfektionismus ermöglicht uns Kontrolle – zumindest vermittelt er uns die Illusion davon. Das wiederum befriedigt unser Bedürfnis nach Sicherheit und Orientierung, wodurch wir unseren inneren Ängsten entgegenwirken können. Somit handelt es sich im Kern um einen verzweifelten Versuch, uns von unseren Ängsten zu befreien.
Wir stützen uns auf Erwartungen über eine Version von uns selbst, die wir im Idealfall sind oder glauben, sein zu müssen, um ein Gefühl der Zufriedenheit mit uns und unserem Leben zu erlangen. Wir verknüpfen das Gefühl von Zufriedenheit und Fülle mit einem bestimmten Soll-Zustand, der wiederum das Fundament unserer Erwartungen bildet. Alles, was nun davon abweicht, erzeugt in uns ein Gefühl von Frust, Enttäuschung oder Wut. Je mehr wir uns aber darauf fokussieren, diesen Soll-Zustand erreichen zu müssen, desto mehr gehen wir in den Widerstand mit dem, was ist bzw. dem, was noch nicht ist. Dadurch erzeugen wir Druck und Zweifel und richten unsere Aufmerksamkeit auf all die Defizite, sodass uns nur noch mehr davon auffällt.
Wir drehen uns im Kreis.
Widerstand entspricht der Abwertung von uns selbst, unserem Verhalten und unseren Eigenschaften – so entstehen unangenehme Gefühle, und wir bleiben in der Negativ-Schleife gefangen. Indem wir uns nun krampfhaft darum bemühen, alles kontrollieren zu wollen, versuchen wir, unsere Erwartungen doch noch in Erfüllung zu bringen. Es ist, als hätten wir Angst davor, uns selbst und andere zu enttäuschen und mit den Konsequenzen nicht umgehen zu können, sobald unsere Erwartungen unerfüllt bleiben. Dass wir dabei unsere Erwartungen an viel zu hohe Maßstäbe und an Faktoren verknüpfen, die außerhalb unserer Einflussmöglichkeiten liegen, spielt für uns überhaupt keine Rolle.
Das Ironische an dem Ganzen ist nun: Wir sind dabei ein bisschen wie ein Esel, der der Möhre hinterherläuft. Unsere Ziele und Maßstäbe verschieben sich kontinuierlich. Entweder werden sie immer höher und größer, oder wir übertragen unsere perfektionistischen Ansprüche auf einen anderen Lebensbereich. Aus diesem Grund können unsere Ansprüche niemals befriedigt werden, und wir bleiben in einer Endlosschleife aus immer wiederkehrendem Frust und Enttäuschung gefangen.
Wie kannst du Perfektionismus loslassen?
Schritt 1: Raus aus dem Widerstand
Im ersten Schritt geht es darum, aus der Widerstandshaltung ganz bewusst herauszutreten. Alles, dem du im Widerstand begegnest, hältst du dadurch unmittelbar am Leben. Im Englischen sagt man so schön: „What you resist, persists.“ Sage Ja zu dem, was ist, nimm es an und befreie dich von dem verzweifelten Versuch, es unbedingt loswerden zu wollen. Ziele und Ambitionen sind wichtig, um dich zu motivieren. Auch der Wunsch, sich weiterzuentwickeln, dazuzulernen und über sich hinauszuwachsen, sind wertvolle Motive.
Doch du wirst auf dem Weg dorthin nicht vorankommen, wenn du aus einer inneren Widerstandshaltung, einem inneren Kampf heraus handelst.
Dadurch erzeugst du Druck und Anspannung und wirst dir lediglich selbst im Weg stehen. Widerstand, Druck und Anspannung versetzen dein gesamtes System in einen Verteidigungsmodus. So bist du lediglich darum bemüht, dein Überleben – und in unserer heutigen Zeit deinen Wert, deinen Selbstwert – zu sichern und zu verteidigen. In diesem Zustand werden dir nur noch potenzielle Gefahrenquellen auffallen, und du neigst dazu, sämtliche Informationen gegen dich zu interpretieren. Am Ende des Tages wird dir hauptsächlich in Erinnerung bleiben, was nicht zu deiner Zufriedenheit gelaufen ist, was du hättest besser machen können usw. Es handelt sich um eine Endlosschleife – du wirst niemals an dem Punkt ankommen, an dem dein innerer Kritiker zufrieden sein wird und sagt: „So, jetzt ist es okay, jetzt kannst du aufhören, dich anzustrengen.“ Trittst du aus dem Widerstand heraus, erlaubst du deinem System, wieder zu entspannen. Sobald du entspannter bist, werden dir wieder mehr Dinge auffallen, die bereits gut sind, und du wirst dich automatisch wertvoller fühlen.
Schritt 2: Kontrolle loslassen
Der zweite Schritt besteht darin, dich immer wieder darin zu üben, Kontrolle loszulassen. Kontrolle ist eine Illusion – worauf in diesem Leben kannst du schon wirklich Einfluss nehmen?
Oftmals verleihen wir dem von uns angenommenen kausalen Zusammenhang zwischen einem Verhalten und dessen Konsequenzen viel zu viel Bedeutung. Gerade rückblickend verlieren wir uns häufig in Wehmut und Reue, da wir annehmen, wir hätten völlig andere Resultate herbeiführen können, wenn wir etwas anders gemacht hätten.
Wir verlieren uns in einer fälschlichen Illusion der Verantwortung für alles in uns und um uns herum. Denn wir sind überzeugt davon, alles beeinflussen zu können, und führen dadurch die Ursache umgehend auf uns selbst zurück, sobald etwas entgegen unserer Erwartungen verläuft. Doch dafür sind wir, andere Menschen sowie das Geschehen um uns herum viel zu komplex.
Dinge geschehen nicht wegen dir – sie geschehen trotz dir.
Löse dich von der Illusion, alles um dich herum kontrollieren zu können, und dadurch vermeintliche Sicherheit zu erfahren. Perfektionismus und Kontrolle gehen Hand in Hand. Indem wir perfektionistischen Ansprüchen nacheifern, versuchen wir, viel mehr zu kontrollieren, als uns je möglich wäre. Kontrolle hat immer eine künstliche Note. Wir verlassen uns weniger auf unsere Intuition und unser inneres Gefühl und lassen uns vielmehr von dem leiten, was wir zum jeweiligen Zeitpunkt als richtig bewerten. Wir wählen, was wir sollten – basierend auf verinnerlichten Konzepten über das, was angeblich am besten ist.
Gerade dann fallen wir wieder in Anspannung und setzen uns unter Druck, und mit dem besten Willen, alles richtig zu machen, passieren erst recht „Fehler“.
Das, was gerade richtig ist, kann sich jederzeit wieder verändern.
Lass Raum dafür, dass Dinge auch mal entgegen deiner Vorstellung laufen dürfen – und dadurch vielleicht sogar noch besser werden. Perfektionismus raubt dir deine mentale Flexibilität. Je mehr du Kontrolle loslässt, desto flexibler kannst du dich für unvorhergesehene, aber belohnende Resultate öffnen. Du lernst, von der Verbissenheit loszulassen – sodass sich unmittelbar neue Türen öffnen und andere, wertvolle Dinge einladen.
Schritt 3: Erwartungen neu definieren
Im dritten Schritt geht es darum, deine Ziele und Werte neu zu formulieren.
Das betrifft ebenfalls deine Erwartungen und Bewertungsmaßstäbe. Hier geht es besonders um einen Wechsel deiner Aufmerksamkeit. Anstelle davon, den Erfolg eines Zieles und deine Wertigkeit anhand eines erreichten Soll-Zustandes zu bemessen, wirf deinen Blick auf das, was du bereits richtig gut gemacht hast.
Verknüpfe Erfolg und deinen Wert mit Qualitäten, die sich nicht nur anhand äußerer Ergebnisse messen lassen.
Auf deine Bedürfnisse zu achten, gesunde Grenzen zu setzen oder deinen Werten treu zu bleiben, sind beispielsweise unglaubliche Erfolge. Priorisiere als Erwartung vielmehr einen inneren Seins-Zustand als ein im Außen erkennbares Ergebnis. Sei geduldig, liebevoll und wertschätzend im Umgang mit dir selbst, anstatt dich krampfhaft um ein ganz bestimmtes äußeres Resultat zu bemühen.
Veränderst du deine Erwartungen, veränderst du den Soll-Zustand, den du zuvor verbissen angestrebt hast. Dadurch kannst du besser von dem verzweifelten Streben nach Kontrolle loslassen. Hier kann es auch helfen, dir jeden Tag fünf Minuten zu nehmen, in denen du dir bewusst machst, was heute alles besonders gut gelaufen ist. So bewegst du dich in Richtung einer liebevollen Annahme von dir, deinem Wesen, deinem wahren Kern.

Es wird endlich Zeit, dich von der Rolle der Verantwortlichen und Schuldigen zu befreien. Dinge können und werden nicht immer genau so verlaufen, wie du sie dir im Optimalfall wünschst. Genauso wirst du dich nicht immer so verhalten können, wie du es in deiner perfektionistischen Vorstellung von dir erwartest. Entscheidend ist doch, dass du dir über dich selbst bewusst bist. Dass du ein gesundes Maß an Selbstreflexion betreibst und nicht völlig unbedacht durch dein Leben irrst.
Ein perfektionistischer Weg wird dich nirgendwo hinführen – und ganz besonders nicht dorthin, wohin du dir erhoffst, damit zu gelangen.
Denn du wirst dir immer wieder selbst im Weg stehen.
Befreist du dich von dem Druck, dem Kontrollbedürfnis und zu hohen Erwartungen, wirst du dich automatisch mit der Version von dir verbinden, die auf natürliche Art voller Zufriedenheit, Wertigkeit und Leichtigkeit aufblüht.
Wenn du Perfektionismus loslassen möchtest, darfst du dich darauf freuen, dich selbst wieder spüren zu lernen – in deiner Echtheit, mit allen Kanten und Wundern.
Du wirst endlich in der Lage sein, deine Imperfektion auf perfekte Art zu leben!
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